Kennst Du ihn ? – vielleicht aus den Zeiten der 70 er, 80 er Jahre, wo man einfach von Österreich aus auf Urlaub an die obere Adria düste? Wo noch alles einfach bzw. noch ungezwungener, freier war ? Die ganze Familie im Wagen eingepackt, Kind und Kegel, Auto ohne Kopfstützen, ohne Sicherheitsgurte, den Kofferaum nur halb voll, damit man bei der Heimfahrt einiges in Italien einkaufen und verstauen konnte. Dann ging es Richtung Lignano, Jesolo und Co. So verbrachten viele Familien früher ihre Urlaube auf dem „Hausmeisterstrand“ an der oberen Adria. Dass sich aber auf dieser Fahrt links und rechts der Strassen ein wahrer Schatz der Natur auftut, ist nur wenigen bewusst.
Spätestens dann, wenn man bei Tarvis ins Kanaltal einbog, dann blitzte es blau-grün, türkis – dann viel ER sofort auf – dieser geheimnisvolle Fluss, so glasklar sein Wasser, dass man am liebsten aus dem Auto springen wollte um sofort dieses Wasser zu trinken.
Der Tagliamento – einer der letzten richtigen Wildflüsse Europas. Er ist ca. 170 km lang, entspringt in der Provinz Belluno (Passo della Mauria), fließt durch das Kanaltal in Richtung norditalienischer Tiefebene und letztlich mündet er bei Lignano Riviera in die Adria.
Anfangs fließt er in einem breiten Schotterbett als glasklarer meanderförmiger Fluss durch das Kanaltal (Friaul) – der Schotter erstrahlt bei Sonnenschein in reinstem Weiß, nur da und dort gibt es Schotterbänke mit Pflanzenbewuchs – er ändert bei Regen immer wieder seinen Verlauf und so entstehen immer wieder neue Inseln und Schotterbänke. Bei starkem Regen, schwillt der Pegel sehr rasch an, und der am Anfang nur ein paar Meter breite Fluss kann binnen ein paar Stunden rasch an Tiefe gewinnen und sich in ein reissendes Ungetüm verwandeln, dass sogar ganze Bäume umreißt und in das Meer spült. Kaum vorstellbar, wenn der Fluss vor einem Unwetter nur mal einige Meter Breite misst, und dann binnen kürzester Zeit 50-60 (!) Meter breit werden kann.
Der Tagliamento beherbergt viele Fischarten und die Tier- und Pflanzenwelt ist einzigartig in Europa, was zur Folge hat, dass er einen besonderen Naturschutz genießt. Wenn man in sein Schotterbett hinabsteigt, spürt man richtig diese Reinheit, kann sich vor lauter interessanter Steine gar nicht sattsehen. Ein wahres Paradies für Steinfans.
Im unteren Teil, Richtung Adria, fließt er nicht mehr so glasklar, aber noch immer mit niedriger Wassertemperatur, und verschmilzt dann nach langer Strecke letztlich mit dem Meer.